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Ein Detektiv für kranke Kinder mit unklarer Diagnose

Prof. Lorenz Grigull leitet die Sektion für pädiatrische Patienten ohne Diagnose des Universitätsklinikums Bonn

Am Bonner Zentrum für Seltene Erkrankungen (ZSE Bonn) leitet Prof. Dr. Lorenz Grigull jetzt die direkte Anlaufstelle für Kinder mit einer bisher nicht diagnostizierten Erkrankung und deren Eltern. Der 53-jährige Kinderarzt will Kindern und Jugendlichen, die an einer seltenen Erkrankung leiden oder keine Diagnose haben, schnell helfen und ihnen eine Ärzte-Odyssee von Spezialist zu Spezialist ersparen. So forscht er auch zu dem Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) bei der Diagnosestellung von seltenen Erkrankungen. Prof. Grigull erhielt 2019 den Wissenschaftspreis des Landes Niedersachsen in der Kategorie Lehre – unter anderem für eine App, die Medizin-Studierenden ermöglicht, die Arbeit in einer virtuellen Notfall-Ambulanz zu trainieren. Er kommt von der Medizinischen Hochschule Hannover, wo er seit 2003 als Oberarzt in der Kinderonkologie tätig war.

„Selbst heutzutage ist es noch immer ein langer Weg, bis Patienten mit einer seltenen Erkrankung eine Diagnose erhalten – im Einzelfall kann es sogar 40 Jahre dauern“. Für Betroffene fehlen spezialisierte Anlaufstellen. Wenn bei ihnen viel Diagnostik durchgeführt wurde, können wegweisende Hinweise und Befunde leicht übersehen werden. Sie fallen dann durchs Raster“, sagt Prof. Grigull. Es gibt etwa 6.000 bis 8.000 seltene Erkrankungen und mit etwa vier Millionen Betroffenen in Deutschland sind sie zusammengenommen doch gar nicht mehr so „selten“. Oft sind Kinder davon betroffen, da circa 80 Prozent dieser Krankheiten genetisch bedingt sind und sich daher schon im Kindesalter bemerkbar machen können. Das Fehlen einer Diagnose belastet die Familien enorm. Daher hält Prof. Grigull die im vergangenen Jahr am ZSE Bonn gegründete direkte Anlaufstelle für Kinder mit einer bisher nicht diagnostizierten Erkrankung für einen zentralen Punkt in deren Versorgung „Wir wollen den Weg zur Diagnose verkürzen und so den Familien weiterhelfen. Für sie und für die Kinderärzte in der Region wollen wir ein wertvoller Ansprechpartner werden“, unterstreicht Prof. Grigull eines seiner Ziele am Zentrum für seltene Erkrankungen in Bonn. „Ich bin dankbar, dass dank der Förderung der ETL Stiftung Kinderträume nun auch pädiatrisches Know-How am ZSE Bonn eingesetzt werden kann“, betont Grigull die Rolle der Stiftung für seine Sektion.

 

„Unsere Mission ist, unklaren Diagnosen auf den Grund zu gehen.“

Das ZSE am Universitätsklinikum Bonn ist eines von nur sehr wenigen bundesweiten Zentren für seltene Erkrankungen, das eine Spezialambulanz für Patienten ohne Diagnose sowohl für Erwachsene als auch für Kinder anbietet. Die dortige interdisziplinäre Vernetzung unter anderem mit dem Institut für Humangenetik ist über Jahre gewachsen. Ein Herzstück ist die Prüfung und Aufarbeitung der dicken Patientenakten, einschließlich einer oft aufwendigen Recherche in verschiedenen Datenbanken. Hier werden die Spezialisten am Universitätsklinikum Bonn wesentlich von Medizinstudierenden unterstützt. „Die Analyse und Aufarbeitung der komplexen Fälle liefert den Studierenden auch wertvolle Kenntnisse für ihre spätere ärztliche Tätigkeit“, sagt Prof. Grigull, der das Wahlpflichtfach „Seltene Erkrankungen“ fest in den Lehrplan aufgenommen sieht und hierfür auch eine Lern-App entwickeln wird.

Standortübergreifende Fallkonferenzen und innovative diagnostische Methoden liefern dann für die betroffene Familie ein Ergebnis. Es gibt in jedem Fall eine Empfehlung für weitere Diagnostik, die Weiterbehandlung und eine Vermittlung an möglichst heimatnahe Behandlungszentren. Das gleiche Angebot gilt auch für pädiatrische Patienten, bei denen bereits eine seltene Erkrankung diagnostiziert wurde. „Wir wollen für die Familien ein Wegweiser im Dschungel des Gesundheitssystems sein“, sagt Prof. Grigull.

 

Künstliche Intelligenz unterstützt Diagnose seltener Erkrankungen

Eine Ersteinschätzung, eine sogenannte Triage, der Dringlichkeit sowie auch der Diagnose auf der Basis von KI könnte zukünftig mithelfen, die Ressourcen der Spezialambulanz noch effizienter zu nutzen. Daher legt Prof. Grigull sein wissenschaftliches Augenmerk auf mathematische Verfahren, die Muster in einer größeren Datenmenge erkennen können. Prof. Grigull konzeptioniert und entwickelt seit vielen Jahren Diagnose-unterstützende Verfahren. So auch Fragebögen auf der Basis von den Erfahrungen Betroffener, die eine Identifizierung von Mustern ermöglichen. Bei auffälligen Antwortmustern kann die KI beispielsweise eine seltene Lungenerkrankung erkennen helfen oder Hinweise auf einen Immundefekt liefern. „Diese Werkzeuge sollen Hausärzten und Lotsen an Zentren für seltene Erkrankungen bei der oftmals schwierigen Entscheidung helfen, ob tatsächlich eine seltene Erkrankung vorliegt und welche Experten dann in diesem Fall benötigt werden“, sagt Prof. Grigull.

 

„Ein Stück nach Hause gekommen“

Vor 25 Jahren ist Prof. Grigull mit seiner Ehefrau von Bonn nach Hannover gezogen. Dort beschäftigte er sich unter anderem mit der Diagnostik seltener Erkrankungen. Die gute und erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem ZSE Bonn bestand bereits vor seinem Wechsel nach Bonn. „So war es schließlich nur noch ein kleiner Schritt, zurück ins Rheinland zu kommen.“ Im Gepäck hatte der Alumnus der Universität Bonn seine Gitarre und die Laufschuhe. „Nach Corona“ würde der Vater zweier erwachsener Söhne auch gerne in einem Bonner Chor mitsingen. Bislang pendelt Prof. Grigull noch zwischen Bonn und Hannover. Zum sportlichen Ausgleich hat er bereits etliche Kilometer im Kottenforst geradelt und gejoggt.

 

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Prof. Dr. Lorenz Grigull
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